
Im Augenblick – Bilder aus Venedig
Venedig ist für mich mehr als nur ein Reiseziel – es ist ein dauerhafter Dialog zwischen Licht, Architektur und Wasser. Ich suche nicht die perfekten Postkartenansichten des Markusplatzes oder die Rialtobrücke bei Sonnenuntergang. Was mich anzieht, sind die Zwischenräume, die flüchtigen Momente, das Leben, das sich in den Nebengassen und an den Rändern der bekannten Pfade abspielt.
Meine Kamera trage ich leicht und unbeschwert – sie ist meine Begleiterin, nicht meine Bürde. Ich reise leicht, beginne oft schon vor Sonnenaufgang meine Streifzüge durch die Stadt, wenn die meisten Touristen noch schlafen und die Einheimischen ihre täglichen Routinen beginnen. Auf dem Fischmarkt, in engen, wenig besuchten Gassen, an verlassenen Plätzen – dort finde ich mein Venedig.
Die Bilder, die dabei entstehen, sind keine geplanten Arrangements. Ich arbeite nicht mit Stativ, warte nicht auf das „perfekte“ Motiv. Stattdessen lasse ich mich treiben, nehme wahr, reagiere auf den Moment. Da ist eine gelbe Vase am Fenster, die mich anspricht durch ihr warmes Leuchten gegen die verwitterten Ziegelmauern. Ein kleiner Weinladen mit seinem nostalgischen Schild „VINO“, der mehr erzählt als jeder Touristenführer. Die Silhouette einer Gondel im Gegenlicht, reduziert auf ihre essenzielle Form.
Farben spielen eine wichtige Rolle in meiner Venedig-Serie – die charakteristischen Rottöne der Hausfassaden, kontrastiert mit den Grüntönen von Fenstern oder Türen. Diese Farbkontraste sind typisch für die Stadt, aber ich suche die subtilen Variationen, die verhaltenen Zwischentöne, die vom Verfall, von Geschichte, vom Leben erzählen.
Schatten und Reflexionen faszinieren mich – wie eine Leiter ihren Schatten auf eine Hauswand wirft, wie Licht durch Palmenwedel fällt und weiche Muster auf einen rosafarbenen Boden zaubert. In diesen Momentaufnahmen liegt für mich die wahre Essenz Venedigs: ephemer, zerbrechlich, in ständiger Transformation.
Die Möwe, die majestätisch über der Stadt schwebt, verkörpert für mich die Freiheit des Blicks, den ich anstrebe. Nicht gebunden an touristische Routen oder fotografische Konventionen, sondern frei schweifend, offen für das Unerwartete.
In meinen Bildern suche ich nicht nach Perfektion oder technischer Brillanz. Was mich antreibt, ist die Stimmung eines Augenblicks, die Atmosphäre eines versteckten Winkels, das Zusammenspiel von Licht und Textur an einer bröckelnden Mauer. Manchmal ist es ein Ausschnitt durch ein Fenster, der zwei Realitäten verbindet – die unmittelbare des Betrachters und die angedeutete jenseits des Rahmens.
Venedig offenbart sich mir in Fragmenten, in flüchtigen Eindrücken, in unerwarteten Kompositionen. Die rosafarbene Wand mit ihren versteckten Löchern und Eisenstäben trägt die Spuren jahrhundertelanger Veränderung. Die Wäsche, die zwischen den Häusern hängt, spricht von Alltag inmitten dieser außergewöhnlichen Stadt.
Meine Venedig-Fotografien sind kein umfassendes Porträt der Stadt. Sie sind persönliche Notizen, visuelle Erinnerungen an Momente, die mich berührt haben. Leicht und intuitiv entstanden, ohne das Gewicht von Erwartungen oder Konventionen. Sie sind mein Venedig – nicht das der Reiseführer oder der perfekt komponierten Fotobände, sondern ein Venedig der leisen Töne, der überraschenden Entdeckungen, der persönlichen Begegnungen mit einer Stadt, die nach Jahrhunderten immer noch Geheimnisse birgt.